Veröffentlicht in "Der Allgemeinarzt" 10/1999 S 929 - 932
Und die Chinesen hatten doch recht...
Qualitäts- und Erfolgskontrolle der praktischen Akupunktur
Wolfgang Escher

Über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten hinweg wurden standardisierte Akupunkturbehandlungen durchgeführt. Nach Abschluß der Serien erfolgte mit Hilfe eines Fragebogens eine Sofortkontrolle des Erfolges. Die Ergebnisse waren überaus überzeugend. Bei über 90% aller Fälle wurde eine gute oder sehr gute Besserung der Beschwerden erreicht.

Die Akupunktur wurde gewissermaßen normiert, indem eine Triggerpunktakupunktur in Verbindung mit der Reizung einiger Fernpunkte gemäß der TCM Traditionelle Chinesische Medizin) durchgeführt wurde. Eine Auflistung der Indikationen, bei denen akupunktiert wurde, ist in Tabelle 1 und Abb. 1 wiedergegeben. Im wesentlichen handelte es ich um Krankheitsbilder aus den Formenkreisen Migräne und Verspannungssydrome.

Methodik und Akupunkturpunkte

Bei den Erkrankungender Formenkreise  Migräne, Verspannungskopfschmerz, HWS-Syndrom, Schulter-Arm-Syndrom und Brustwirbelsäulensyndrom ggf. mit parallel verlaufenden anderen Beschwerden wurden in erster Linie Triggerpunkte im Bereiche des oberen lateralen M. trapezies genadelt. Dies sind im wesentlichen die Punkte 3E15 und 3E16. Die Punkte wurden durch Palpation der schmerzhaften Triggerpunkte gesucht. Die Nadel wurde dabei entsprechend der anatomischen Situation und der Muskeldicke so tief eingestochen, daß man beim subjektiv eine Verhärtung spürte, gleichzeitig wurde im allgemeinen vom Patienten ein dumpfer, ausstrahlender Schmerz (Chi-Gefühl) angeben, der nach einer gewissen Zeit nachließ.
Individuell wurden außerdem die Triggerpunkte am oberen Ansatz des M. trapezius G20 und B10 gewählt., wenn es sich um massive Verspannungskopfschmerzen handelte - dieses jedoch nicht in allen Fällen.
Zusätzlich wurden regelmäßig Triggerpunkte am Ansatz des M. levator scapule gewählt, die bei fast jedem eindeutig druckschmerzhaft sind, bei dem man sehr gut palpieren kann. Es handelte sich im wesentlichen um den Punkt DÜ14, gelegentlich auch um DÜ15.
Bei Beschwerden im Bereiche der LWS und bei Hüftbeschwerden wurden Triggerpunkte im Bereiche der Paravertebralmuskulatur der schmerzhaften Bereiche insbesondere L1 bis S5, sowie im Bereich des Iliosakralgelenkes genadelt. es handelte sich um die Punkte BL25 bis BL28, zusätzlich G30. Auch hier wurden druckschmerzhafte Triggerpunkte genadelt, in der Regel wurde ein sog Chi-Phänomen ausgelöst. Als Fernpunkte wurden regelmäßig Di4 beidseitig, gelegentlich Di11 und Ma36 gewählt. Nadeln im Bereich des Gesichtes wurden i.d. R. nicht verwendet. Lediglich bei der Behandlung von Tinnitus Schwindel als zusätzliche Indikationen wurden Triggerpunkte im Bereiche Dün19, Ma7 und Gb2 als lokale Punkte genadelt. zusätzlich wurde als Fernpunkte MP7 verwendet. In einzelnen Fällen wurde je nach individuellen Beschwerden eine Variation  oder eine zusätzliche Nadelung von lokalem bzw. auch geeigneten Fernpunkt insbesondere im Bereich der großen Gelenke der unteren Extremitäten durchgeführt.
Bei der Nadelung der Triggerpunkte wurde in den meisten Fällen ein sog. Twiggel-Phänomen (Muskelzuckung) erzeugt. die Punkte wurden in der Regel durch Palpation als druckschmerzempfindlich vorher lokalisiert, die Fernpunkte wurden nach der Very-point-Technik durch oberflächliches Reizender Haut gefunden. Entsprechend der dicke der Muskulatur un der Tiefe der Triggerpunkte bzw. eventueller Verhärtungen wurden Nadeln mit 50 mm länge und 0,3 mm Durchmesser von Seirin Typ B No 8 verwendet. für Fernpunkte wurden Nadeln mit 30 mm Länge und 0,3 mm Durchmesser von Seirin Typ B verwendet. Die Nadelungen wurde regelmäßig am liegenden Patienten, in einigen Fällen auch sitzenden Patienten mit Erfolg durchgeführt. Die Serie umfaßte stets 0-12 Sitzungen. Am Ende der Serie wurde ein Fragebogen an die Patienten ausgeteilt. Es wurde eine Stickprobe von 42 Patienten erhoben.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, daß sich die Art der Akupunktur, die wissenschaftliche oder unphysiologisch Denkansätze nicht ausklammert, sondern sich auf die wesentlichen Grundkonzepte, die ein westlich orientierter Mediziner ohne Weiteres akzeptieren kann (lokal Beeinflussung der Muskulatur über Triggerpunkte und Fernwirkung über die Fernpunkte, z.B. im sinne des Modells eines Gate-Controll), durch eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit auszeichnet.
Wie bei Abb. 2-6 zeigen wirkt die Akupunktur erwartungsgemäß nicht nur bei Migräne und sämtlichen Wirbelsäulensyndrom außerordentlichen positiv Es werden praktisch keine Abbrüche und nur wenige Therapieversager beobachtet. neben der zu erwartenden äußerst positiven Wirkung auf das komplexe System Skelett-Muskel-Bandapparat (vgl. die "Reichistische Theorie von Muskelpanzer") sollten die Anwendung der Akupunktur in Richtung auf das System Sympatikus/Parasympatikus, d.h. auf das autonome Nervensystem weiter untersucht ausgebaut werden. Leider umfaßt der Indiktionskatalog der Krankenkassen (Tabelle 2) viele der hier untersuchten Einsatzmöglichkeiten nicht - ganz im Gegensatz zu den WHO-Empfehlungen  (Tabelle 3).

Diskussion

Die hier gemachten Erfahrungen, z.B. bei der Behandlung des chronischen Reizdarmes, des Colon irritabile und verwandter Formenkreise, sind erfolgversprechend. die Kotherapie der Akupunktur mit chirotherapeutischen und physiotherapeutschen Methoden wird beschrieben und häufig erfolgreich praktiziert. Es sollte durchaus auch eine Kotherapie der Akupunktur - als eine starke lokale Reize setzende Therapie - mit westlich modifizierten Entspannung- und Suggestivtherapie wie sie z.b. das Autogene Training nach Schulz darstellt, verfolgt werden. dieses wird auch durch die häufig beobachtet Müdigkeit bestätigt, welche in dem Sinn kein Nebenwirkung, sonder ein erwünschter therapeutischer Effekt ist.
Die beobachtete Verbesserung nach ca. 2-4 Sitzungen bestätigt die Versuchsanordung mit ca. 10 Akupunktur. Es wäre zu überlegen, ob nicht eine Intervalltherapie ist jeweils 6 Akupunktursitzungen, wie sie hier in Einzelfällen auch durchgeführt wurde,  insgesamt von längerem therapeutischen Erfolg und erhöhter Compliance sein könnte.
Es ist beabsichtigt, eine Nachkontrolle des Erfolgs nach einer gewissen Zeit durchzuführen, um die langfristige Wirksamkeit der Akupunktur zu dokumentieren. In einigen Fällen wurden dazu schon Befunde erhoben. Eine Wirksamkeit von mindestens 3 bis ca. 18 Monaten scheint sich belegen zu lassen

Literatur über Kirchheim-Verlag
 
 
 

Dipl.-Phys.
Dr. Wolfgang Escher
Facharzt  für
Allgemeinmedizin
Cloppenburger Str. 199
26133 Oldenurg